Interview von Stefan Albers, Präsident des BVVB e.V. im Versicherungsjournal vom 28.08.09:
http://www.versicherungsjournal.de/mehr.php?Nummer=101141Versicherungen vom 28.8.2009
Der Basistarif wird noch ein Erfolg
Stefan Albers, Präsident des Bundesverbandes der Versicherungsberater e.V. und Fachmann für die private Krankenversicherung (PKV), sieht beim Basistarif in der Krankenversicherung (VersicherungsJournal 29.5.2008) noch Handlungsbedarf, weil die Akzeptanz des Tarifs auf Seiten der Versicherer wie auch der behandelnden Ärzte nicht immer sichergestellt ist.
VersicherungsJournal: Herr Albers, seit acht Monaten ist der Basistarif zu haben. Sehen Sie den Basistarif als einen Erfolg an?
Albers: Der Basistarif kann derzeit als Erfolg für die bisher Unversicherten, für ältere Personen mit Beihilfeanspruch und, was die vor 2009 Bestandsversicherten anbetrifft, als voller Erfolg der privaten Krankenversicherer gewertet werden.
Entgegen den ursprünglichen Vorstellungen des Gesetzgebers, den bereits vor 2009 privat krankenversicherten Verbrauchern einen (sinnvollen) Wechsel des PKV-Versicherers zu ermöglichen, ist dieses Vorhaben gründlich gescheitert. Unter anderem an dem hohen Tarifbeitrag im Basistarif und an der 18-monatigen Bindefrist – in der Regel ohne Optionstarif auf Höherversicherung danach.
VersicherungsJournal: In Baden-Württemberg sind die Kassenzahnärzte offenbar nur freiwillig bereit, Basisversicherte zu behandeln. Nur rund 500 der 7.000 Zahnärzte sollen sich beteiligen. Ist das aus Ihrer Sicht mit § 75 Absatz 3a SGB V zu vereinbaren, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen die ärztliche Versorgung sicherzustellen haben?
Albers: Meiner Ansicht nach ist die Regelung im § 75 Absatz 3a SGB V eindeutig. Die Kassenzahnärzte müssen auch die Basistarif-Versicherten behandeln.
Basistarifversicherte dürfen nur Vertragszahnärzte in Anspruch nehmen, haben damit nicht die Möglichkeit, auszuweichen. Damit ist die Behandlungspflicht zwingend. Und wenn die Leistung oder die Terminvergabe offensichtlich verweigert werden, empfehle ich, dagegen vorzugehen.
VersicherungsJournal: Sind Ihnen sonst Hindernisse oder Probleme für Basisversicherte bekannt geworden?
Albers: Ja, bei der Inanspruchnahme von Originalmedikamenten. Hier war und ist stets darauf hinzuweisen, dass Basistarifversicherte einen geringeren Leistungsanspruch haben wie in den klassischen PKV-Tarifen.
VersicherungsJournal: Anfang des Jahres gab es Meldungen, Versicherer hätten versucht, Interessenten für den Basistarif abzuwimmeln (VersicherungsJournal 27.1.2009). Gibt es da aus Ihrer Sicht Probleme und Handlungsbedarf?
Albers: Ja, solche Fälle sind mir bekannt, in denen PKV-Versicherer Interessenten die Auskunft gaben, sie könnten keinen Basistarif wählen. Unter Hinweis auf § 6 VVG und die Beratungspflichten des Versicherers sollte diesen Fällen nachgegangen werden. Die Verspätungsgebühren bei späterem Beginn im Basistarif sollten dann beim PKV-Versicherer geltend gemacht werden.
VersicherungsJournal: Einen Basistarif mit Selbstbeteiligung abzuschließen, dürfte angesichts der Beitragskalkulation wenig sinnvoll sein. Haben Versicherte dies trotzdem abgeschlossen, und können sie sich dagegen nachträglich wehren?
Albers: Ja. Mir sind Versicherte bekannt, die ohne Beantragung eines Basistarifs mit Selbstbehalt automatisch den Basistarif mit 300 Euro Selbstbehalt policiert bekamen. Im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung konnte bei allen mir bekannten Fällen dann eine Korrektur und eine Neuausfertigung der Police mit dem Basistarif ohne Selbstbeteiligung erreicht werden.
VersicherungsJournal: Halten Sie den Basistarif weiterhin für einen interessanten Tarif, und für welche Zielgruppen?
Albers: Ja, der Basistarif ist interessant, wenn beispielsweise im Ruhestand über den Ehegatten ein Beihilfeanspruch mit 70 Prozent erreicht werden kann. Oder wenn durch hohe Selbstbehalte, Tarife mit starken Leistungseinschränkungen eine Entwertung des Versicherungsschutzes eingetreten ist. Chronisch Kranke können dann wieder die erforderlichen Leistungen erhalten.
Gleiches gilt für Rückkehrer aus dem Ausland ohne Versicherungsschutz. Auch PKV-Versicherte, die hilfsbedürftig im Sinne des SGB sind, können ihre Beitragslast senken.
Und gerade ältere PKV-Versicherte im Ruhestand mit klassischen PKV-Hochleistungstarifen stehen vor der Frage, wie sie die Beiträge weiter finanzieren sollen. Viele wechseln dann in Primärarzttarife mit häufig geringeren Leistungen, um die Beiträge weiterhin bezahlen zu können. Dann fehlen ihnen aber im Alter erforderliche Leistungen. Der Basistarif plus Zusatztarife kann hier eine Lösung sein.
Auf lange Sicht betrachtet werden – bedingt durch die Bestands- und Beitragsentwicklung in den PKV-Tarifen – zunehmend mehr bisher nach klassischen PKV-Tarifen versicherte Personen in den Basistarif zuzüglich Zusatztarifen (Krankenhaus, Zahnarztleistungen) wechseln.
VersicherungsJournal: Was könnte die nächste Bundesregierung am Basistarif verbessern?
Albers: Die Kalkulation des Basistarifs, die Anrechnung von erworbenen Alterungsrückstellungen und der Anspruch auf Zusatztarife sollten gesetzlich verbessert werden. So ist beispielsweise der Leistungsumfang des Zusatztarifs (§ 204 Absatz 1 Satz 2 VVG) beim bisherigen Versicherer nach erfolgtem Versichererwechsel nicht klar geregelt und Versicherte können mit unlukrativen Tarifen abgespeist werden.
Die privaten Krankenversicherer sollten überdies verpflichtet werden, alle Zusatztarife, die sie für gesetzlich Versicherte anbieten, auch für Basistarifversicherte zu öffnen, die nämlich den gleichen Grundversicherungs-Schutz haben. Die Informationspflicht zum Basistarif und eine Synopse der Leistungen (Basistarif – Standardtarif – GKV – PKV-Tarif) sollten Bestandteil der Verbraucherinformationen werden.
VersicherungsJournal: Vielen Dank für das Gespräch.
Matthias Beenken